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Abpfiff – Die Kolumne von Tomas Malz
25 Jahre im Handball-Leistungsbereich als Linksaußen beschäftigt und seit über 20 Jahren leidenschaftlicher Trainer im Jugendfußball!
Schön öfters bin ich gefragt worden, was die beiden Sportarten miteinander verbindet und was ich mitnehmen konnte aus meiner Handballzeit, um Elemente in das Fußball-Training mit einzubauen. Das, was mir dazu einfällt, ist na klar nur meine Sicht der Dinge und ich weiß, dass es auch immer Ausnahmen gibt.
Taktisch, finde ich, haben sich beide Ballsportarten in eine Richtung bewegt. Als ich mit dem Handball angefangen habe, hatte der Sport ganz klar die Nase vorn in Sachen Taktik. Mittlerweile bewegen sich beide auf einem sehr hohen Niveau, wobei ich den Fußball nun etwas weiter vorne sehe. Außer mit der schnellen Mitte und die Spielgeschwindigkeit sehe ich keine großen Veränderungen beim Handball. Die Athletik der Spieler ist auf einem Top-Level. Im Profi- bzw. Leistungsbereich laufen in beiden Sportarten meist nur durchtrainierte Spieler auf dem Feld. Es wird bei beiden Sportarten mittlerweile auf die richtige Ernährung geachtet.
Für mich unterscheiden sich beide Teamsportarten in den Bereichen Authentizität, Fairness und Aufrichtigkeit.
Fangen wir mal mit den ganz normalen Begrüßungs- und Abschiedsformeln vor und nach dem Spiel an: Ich musste mich als Spieler und als Trainer daran gewöhnen, dass beim Fußball sich zwar begrüßt wird, aber man nach dem Spiel schweigend und ohne Handschlag das Spielfeld verlässt. Das kenne ich so beim Handball nicht. Dort wurden die Gegner vor und nach dem Spiel abgeklatscht und wir haben nach einer Schlacht auf dem Spielfeld noch gemeinsam in einer Kabine gesessen und ein Bier getrunken. Da wurde der Spruch „es ist doch nur Handball“ wirklich gelebt. Beim Fußball wird oft der Satz genannt „ es ist doch nur Fußball“, wenn im Nachgang von einer Tragödie gesprochen wird (wie damals bei Robert Enke).
Der Anspruch sollte in der Jugend und im Erwachsenenbereich im Fußball genau so sein wie beim Handball: Respektvoll zu gewinnen und zu verlieren – ohne „Tamtam“ und Puderzucker. Einfach konzentriert und leidenschaftlich sein während der Spielzeit und danach sich daran erinnern, dass auf der anderen Seite jemand steht, der das Spiel genauso mag.
Sogenannte „Schwalben“ gibt es beim Handball nur beim Beachhandball, wenn die Vögel durch die Luft fliegen. Beim Fußball ist das häufig die Regel und manchmal auch ein taktisches Mittel, um einen Elfmeter zu provozieren. Im TV sehe ich manchmal Spieler so gut schauspielern, dass man meint, das Karriereende steht an, um dann nach ein Paar Sekunden weiter laufen zu können, als ob nichts passiert wäre. Das alles ist eher eine Seltenheit im Handball.
Freistöße, Fouls oder Ecken werden beim Fußball teilweise minutenlang ausdiskutiert. Solche Situation gibt es kaum in der Handballhalle. Der foulende Spieler weiß sehr schnell, was die Stunde geschlagen hat: Entweder verlässt er das Feld oder er nimmt die Karte hin. Im TV wird das Woche für Woche von den Profis im Fußball gezeigt und von vielen Mannschaften oder von der Jugend dankend angenommen und nachgeeifert. Diese ganze Theatralik bei jeder Aktion mag ich beim Fußball nicht.
Respekt und Fairness sollte nicht nur auf diesen ganzen grünen DFB Plakaten auf den Sportplätzen zu lesen sein. Es sollte auch auf dem Spielfeld vorgelebt werden. Damit es ein Spiel bleibt. Nicht falsch verstehen….ich liebe diesen Sport auf dem grünen Rasen, aber vielleicht tut es dieser Sportart gut über den Tellerrand zu schauen und sich beim Handball etwas abzuschauen. Vielleicht wie beim Handball leidenschaftlicher an eine Sache ran gehen und uns nicht in irgendwelchen komplexen Taktiken und Statistiken verlieren. (tma)
Dieser Artikel erschien zuerst im TNS SPORTS Magazin Nr. 30 | November 2022
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