Vom Spieler zum Trainer

Marvin Hems: „Dann bin ich jetzt halt Trainer“

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Seine Krankenakte ist lang: Mit nur 25 Jahren weiß Marvin Hems nicht, ob er jemals wieder aktiv als Spieler auf den grünen Rasen zurückkehren wird. Aber er hat das beste aus seiner Situation gemacht: Er wechselte vom Spielfeld auf die Trainerbank. Vorerst.

Am 22. September 2022 fand die Leidensgeschichte von Marvin Hems seinen traurigen Höhepunkt. Ihm wurde ein Knorpelschaden in der Hüfte diagnostiziert. Ärzte sagten ihm, wäre er zehn Jahre älter würde er eine künstliche Hüfte bekommen. In dem Moment war an Fußball nicht mehr zu denken.
Seine Krankenakte geht bis in den Juli 2021 zurück. Bis dahin war der 25-jährige Mittelfeldspieler, der 2018 vom Husumer SV an die Brahmsstraße zu IF Stjernen Flensborg wechselte, im Grunde Verletzungsfrei gewesen. In der Sommervorbereitung bei einem Spiel gegen den TV Grundhof brach er sich jedoch sein rechtes Schlüsselbein.
Hems, beruflich Spezialist für Baufinanzierungen, kämpfte sich zurück und feierte sein Comeback.

Oktober 2021: IF Stjernen spielt zu Hause gegen den TSV Rantrum. 78. Minute, Marvin Hems wird eingewechselt, erarbeitet sich eine Torchance. Doch keine zehn Minuten später brach er sich bei einem unglücklichen Sturz auf seine ledierte rechte Schulter erneut das Schlüsselbein. Das Comeback geplatzt.
7. Mai 2022: IF Stjernen gastiert beim Büdelsdorfer TSV. Beide Mannschaften sind zu diesem Zeitpunkt stark abstiegsgefährdet. „Das war mein erster Rückrundeneinsatz von Anfang an“, erinnert sich Marvin Hems in der fünften Folge der Stjernen-Doku „Grün Weiß Allez“ (kostenlos auf YouTube zu sehen) an seinen wiederholten Kampf zurück aufs Feld. „Es kam ein hoher Ball auf Höhe der Mittellinie. Da bin ich dumm in einen Gegenspieler hineingesprungen, habe in der Luft das Gleichgewinnt verloren und bin mit dem Oberkörper komplett auf den Boden geknallt.“ Zu diesem Zeitpunkt waren gerade mal zehn Minuten von der Uhr. „Dabei habe ich mir meine bereits kaputte Schulter wieder ausgekugelt und wurde dann wieder vom Krankenwagen abgeholt“, muss er beim Erzählen selbst schmunzeln.
Dass ihn am Ende aber ein Knorpelschaden in der Hüfte seine Karriere bedroht, damit konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechnen.

Beim Spaßturnier als Trainer entdeckt

3. Juni 2023: IF Stjernen ist zu einem Spaßturnier anlässlich des 100-jährigen Bestehens von DGF Flensborg und dem SdU eingeladen. Wie so oft mangelte es IF Stjernen an Spielern, so das Trainer Marco Jannsen selbst aktiv werden musste. „Da hat er spontan die Traineraufgabe an mich übergeben“, erinnert sich Marvin Hems, der trotz langer Verletzungspausen immer bei der Mannschaft zugegen war. Vor Ort war auch Andreas Hybsz, Trainer der zweiten Mannschaft von IF Stjernen. Er bemerkte, wie viel Spaß Marvin Hems an seiner Aufgabe hatte und fragte ihm noch vor Ort, ob er in der neuen Saison 2023/24 mit ihm zusammen die zweite Mannschaft des Vereins trainieren wolle. „Ich habe um einen Tag Bedenkzeit gebeten und dann am Sonntag zugesagt.“
Zwar hatte Marvin Hems auch Bedenken auf Grund des geringen Altersunterschied zu den Spielern. „Klar, habe ich mir da auch Gedanken gemacht. Ich kenne alle Spieler, mit vielen bin ich befreundet. Da fragt man sich, ob man angenommen wird und ob sie mir und meiner Spielidee folgen würden.“ Seine Bedenken verflogen schnell, als er die ersten Trainingseinheiten übernahm. „Alle haben super mitgezogen und mir den nötigen Respekt entgegen gebracht“, freut sich Hems über den guten Start. Größte Herausforderung war das Zeitmanagement beim Training, so vergehen als Trainer die 90 Minuten wie im Flug. „Mir hat es viel geholfen, dass ich im Herrenbereich viele Trainer erleben durfte von denen ich viel mitnehmen konnte.“ Auch durch das Internet ist es heute leichter, ein gutes Training zu planen.

Die ersten Ergebnisse aber gefallen dem Neu-Trainer noch nicht.
Nach acht Spielen konnten nur zwei Siege und acht Punkte eingefahren werden.
„Da kann man nicht mit zufrieden sein, aber ich sehe auch, dass wir immer besser Fußball spielen.“ So soll der Förde-Schlei-Pokal verteidigt werden und in der Liga möchte Hems mit ansehnlichen Fußball mit dem Abstieg nichts zu tun haben.

Marvin Hems am 25.09.2021 im Hinspiel gegen den Büdelsdorfer TSV.
Foto: TNS Sports

Zwei Trainer, die sich bestens ergänzen

Beim Training lässt Andreas Hybsz den jungen Nachwuchstrainer freie Hand. „Ich glaube das Zusammenspiel mit Andy funktioniert sehr gut“, zeigt sich Marvin Hems zufrieden. „Für ihn ist es gut einen jungen Trainer, den er als emotionalen Spieler kennt, an seiner Seite zu haben. Und für mich ist es gut, einen ruhigen Trainer mit Erfahrung an der Seite zu haben, der mich bremst.“ Seine erste gelbe Karte kassierte Marvin Hems, trotz aller Unkenrufe zum Trotz, erst am vierten Spieltag. „Für jede Karte muss ich eine Kiste ausgeben“, lacht Hems. „Die Strafe hat die Mannschaft extra für mich eingeführt.“

Basti Wirth als Wunschspieler

Dürfte sich Marvin Hems einen Spieler für seine Mannschaft wünschen, würde seine Wahl auf Sebastian Wirth fallen, mit dem er selbst schon bei IF Stjernen zusammen spielte. „Basti hat einen tollen Charakter, ist ein absoluter Führungsspieler, der Verantwortung übernimmt und fußballerisch alles drauf hat“, lobt Hems, der mit „Erfolg hat 6 Buchstaben“ auch einen eigenen Podcast zusammen mit seinem Spieler Jakob Spreckelsen hatte. „Unser großes Ziel ist es, noch mal eine Folge aufzunehmen.“ An ein dauerhaftes Comeback glaubt er allerdings nicht, „auch wenn man niemals nie sagen sollte“, lacht er.
Wünschen würde er sich aber vor allem ein Comeback als aktiver Spieler. „Ich möchte nicht, dass meine Karriere mit 25 Jahren zu Ende ist“, sagt er. „Ob in der Liga, zweiten oder dritten Mannschaft sei dahin gestellt.“
Hoffnung auf ein letztes Comeback

Aber auch das Trainergeschäft bereitet ihm viel Spaß. „Mein Ziel ist es eines Tages, die höchstmögliche Mannschaft des Vereins zu trainieren.“ Vorher würde er aber lieber noch einmal selbst seine Fußballschuhe schnüren, um an der Seite von Liga-Kapitän Jasper Carstens zu spielen. „Ich glaube wir würden auf dem Platz gut harmonieren.“
Ob Marvin Hems weiter von einer aktiven Rückkehr träumen darf, wird sich bald zeigen. Ende September wurde er erneut operiert. „Man kann noch nichts sagen, aber ich hoffe, dass es gut verheilt und ich noch mal angreifen kann. Es kann aber auch sein, dass ich nie wieder spielen kann.“ 


Dieser Artikel erschien zuerst in der FLENSBURG SPORT #33 / Oktober 2023. 




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