Exklusives Interview

Finn Porath: Traum von der 1. Bundesliga

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Kiel – Zugegeben, von der romantischen Vorstellung, dass für Holstein Kiel vor allem Kieler und für den Hamburger SV hauptsächlich Hamburger auf dem Platz stehen, musste sich der Fußball-Interessierte schon vor vielen Jahrzehnten verabschieden. Auch in Zeiten internationaler Transfers und Spielerwechseln über den ganzen Globus haben die Kieler „Störche“ mit Noah Awuku, Fin Bartels und Fabian Reese immerhin drei Spieler, die in der Fördestadt geboren wurden, im Kader. Hinzu kommen mit Finn Porath (geboren in Eutin), Jonas Sterner (gebürtiger Husumer) und Hauke Wahl, der in Hamburg das Licht der Welt erblickte, aber im Kreis Herzogtum Lauenburg aufwuchs, drei Akteure, die viele Jahre ihres Lebens in Schleswig-Holstein verbrachten. Der 24-Jährige Porath erklärt im Interview, dass ihm genau diese Nähe zu seiner Heimat sehr gut gefällt …

Haben Sie die zweiwöchige Corona-Quarantäne gut überstanden?
„Ziemlich genau ein Jahr zuvor mussten wir ja schon einmal in Quarantäne. Aus dieser Zeit wusste ich, dass es wichtig ist, die Situation anzunehmen und zu versuchen, das Bestmögliche aus ihr zu machen. Vom Verein wurden jedem Spieler Fitness-Fahrräder nach Zuhause geliefert, auf denen wir uns innerhalb der eigenen vier Wände fit halten konnten. Einmal täglich gab es dann auch ein ‚Cyber-Training‘, bei dem wir virtuell so gut es ging zusammen Kraft- und Intervall-Training absolviert haben. Unter dem Strich haben wir es meiner Meinung nach geschafft, angesichts der Umstände so gut es ging zu trainieren, um fit zu bleiben.“

War die Quarantäne für Sie weniger unangenehm, weil Sie mit Ihrem Mitspieler Janni Serra eine Wohngemeinschaft bilden?
„Ja da waren wir definitiv im Vorteil, weil wir nicht nur zu zweit trainieren, sondern uns auch täglich persönlich unterhalten und austauschen konnten. Außerdem haben wir viel zusammen gekocht – zu zweit in einer häuslichen Quarantäne zu sein, war natürlich viel angenehmer, als wenn jeder von uns die Zeit alleine in einer Wohnung hätte verbringen müssen.“

Musste sich Janni Serra, nachdem er sich Mitte Januar für die kommenden drei Spielzeiten an Arminia Bielefeld band, von seinen Mitspielern schon viele Sprüche anhören in Bezug darauf, dass die Arminen aus der Ersten in die Zweite Liga ab- und die Kieler im Gegenzug aufsteigen könnten?
„Ja, von mir gab es da schon einige kleine Sticheleien. Zumal ja auch noch die Konstellation möglich ist, dass wir im Mai in der Relegation auf Arminia Bielefeld treffen. Das wäre dann für uns besonders lustig – für Janni Serra selbst sicher nicht so. Aber unter dem Strich bleibt auch festzuhalten, dass solche Spielerwechsel im Fußball dazu gehören und wir alle professionell mit einer solchen Situation umgehen. Nichtdestotrotz bin ich doppelt traurig über seinen bevorstehenden Abschied, da ich im Sommer nicht nur einen guten Mitspieler, sondern auch meinen Mitbewohner verliere.“

Lassen Sie uns bitte einmal an Ihrem bisherigen Leben teilhaben: Wo sind Sie aufgewachsen?
„Das Licht der Welt erblickt habe ich in Eutin. Wir sind dann aber schnell nach Lübeck gezogen, wo ich im Haus meiner Oma gelebt habe. Meine Oma führt in Lübeck eine Babyklappe und ein großes Haus mit Wohnungen, in denen Menschen eine Heimat finden, die es in ihrem Leben nicht gerade leicht hatten und haben. Dort bin ich aufgewachsen, ehe wir nach Mecklenburg-Vorpommern in ein kleines, knapp hinter der Landesgrenze liegendes Dorf gezogen sind. Dort habe ich auch die Schule besucht. Meine fußballerischen Anfänge hatte ich bei Sport und Freizeit Herrnburg sowie beim VfB Lübeck, ehe ich 2014 nach Hamburg in das Internat des Hamburger SV gegangen bin. Später habe ich in Hamburg auch alleine und in einer Wohngemeinschaft gelebt.“

Hand aufs Herz: Mit welchem Verein haben Sie als Kind und Jugendlicher mitgefiebert?
„Ich war früher natürlich Fan des FC Bayern München, wie die meisten Kinder. Aber parallel dazu war ich auch ein Anhänger des Hamburger SV. Allerdings habe ich zu keiner Zeit einen Verein ganz besonders stark unterstützt, sondern es gab vor allem einzelne Spieler, die ich bewundert habe. So war zum Beispiel Marco Reus mein Lieblingsspieler und die Mannschaft, für die er aktiv war, habe ich dann auch gerne im Fernsehen gesehen und mich gefreut, wenn sie gewonnen hat.“

Gibt es ein oder zwei Trainer, von denen Sie rückblickend betrachtet im Jugend- oder auch im Erwachsenenbereich am meisten gelernt haben?
„Diese Frage ist für den Jugend-Bereich sehr schwer zu beantworten. Ich würde sagen, dass ich bei jedem meiner bisherigen Trainer etwas mitgenommen habe. Das jetzt auf einen einzelnen Coach zu beschränken, ist in meinem Fall auch insofern etwas komplizierter, weil ich in meiner Jugend-Zeit oft in mehreren Teams gleichzeitig aktiv war: Als U16-Spieler habe ich auch schon regelmäßig bei der U17 mitgewirkt und als älterer B-Jugendlicher bin ich dann auch schon häufig in der A-Jugend eingesetzt worden. Insofern habe ich zumindest beim HSV nicht fest in einem Team trainiert und nie einen bestimmten Trainer für mehrere Jahre gehabt, sondern mich über mehrere Spielzeiten immer zwischen zwei Mannschaften hin und her bewegt. Im Herren-Bereich kann ich ganz klar sagen, dass ich von meinem jetzigen Trainer Ole Werner sehr, sehr viel vermittelt bekommen habe. Er setzt auch voll auf mich und hat mir die Chance gegeben, mich in der Zweiten Bundesliga zu entwickeln.“

Am 20. November 2016 haben Sie beim Hamburger SV unter Trainer Markus Gisdol beim 2:2-Unentschieden bei der TSG 1899 Hoffenheim durch eine Einwechslung in der Nachspielzeit Ihr Bundesliga-Debüt gefeiert, anschließend aber unter mehreren Verletzungen gelitten. Hadern Sie rückblickend mit diesem Pech?
„Tatsächlich war das eine harte Zeit für mich, weil ich davor noch nie langwierigere Verletzungen gehabt hatte und auf einem sehr guten Weg war, mich im Profi-Kader festzusetzen. Ich hatte dann aber fast ein Jahr lang sehr viel Pech und insgesamt vier größere Verletzungen, die jeweils gleich nach der absolvierten Reha-Phase beziehungsweise im ersten Training oder im ersten Spiel für die U23 nach der vorherigen Verletzung aufgebrochen sind. So war ich fast für zwölf Monate raus aus dem Fußball. Das war eine harte Zeit für mich, aus der ich aber auch viel gelernt habe für mich und meine weitere Karriere.“

Am letzten Tag der Sommertransferperiode 2017 verliehen die HSV-Verantwortlichen Sie an den Drittligisten SpVgg Unterhaching, bei dem Sie knapp zwei Jahre blieben. Wie denken Sie heute an diese Phase in Ihrer Karriere zurück?
„Für mich war die Zeit in Unterhaching sehr, sehr wertvoll sowie lehrreich. Ich habe erstmals meine norddeutsche Heimat verlassen und im Münchener Raum gelebt. Dort ist alles ganz, ganz anders als im Norden und ich habe versucht, viele Orte zu besuchen – einmal bin ich zum Beispiel in den nahegelegenen Alpen Skifahren gewesen. Meine Konzentration lag aber natürlich immer auf dem Fußball und der Spielvereinigung. Rückblickend betrachtet würde ich diese beiden Jahre auf keinen Fall missen wollen: Für meine Entwicklung als Fußballspieler, aber auch als Mensch war das ein sehr entscheidender Zeitraum.“

Im Sommer 2019 sind Sie in den Norden zurückgekehrt – allerdings nicht zum HSV, sondern Sie haben sich Holstein Kiel angeschlossen. Wie wohl fühlen Sie sich bei den „Störchen“?
„Sehr, sehr wohl. Ich weiß es einfach zu schätzen, dass ich so nah an meiner Heimat lebend meinem Beruf nachgehen kann – das ist für einen Fußball-Profi wirklich keine Selbstverständlichkeit, sondern eher ungewöhnlich. Ich habe das Glück, nur eine Stunde mit dem Auto fahren zu müssen, wenn ich meine Familie besuchen möchte. Auch viele Freunde wohnen in der Region. Die Nähe zur Ostsee ist auch schön und macht Holstein Kiel sicher nicht nur für mich, sondern auch für andere Spieler zusätzlich attraktiv.“

Haben die Nähe zu Ihrer Familie und dieser Wohlfühlfaktor bei Ihrer Vertragsverlängerung eine Rolle gespielt?
„Ja, als ich im Sommer 2020 für zwei weitere Jahre bis zum 30. Juni 2023 unterschrieben habe, haben diese genannten Faktoren selbstverständlich zu meiner Entscheidung beigetragen. Die sportlichen Aspekte waren natürlich noch wichtiger – aber auch da lief es ja unter Trainer Ole Werner schon in der vergangenen Saison wunschgemäß und die gute Entwicklung, die wir als Mannschaft in der aktuellen Serie genommen haben, deutete sich bereits an.“

Die Entwicklung ist in der Tat beeindruckend. Wenn Sie sich entscheiden müssten, ob Sie in die Erste Bundesliga aufsteigen oder das DFB-Pokal-Finale erreichen – wie würde Ihr Votum ausfallen?
„Ich würde mich ganz klar für den Aufstieg in die Erste Liga entscheiden. Ich träume so, wie vermutlich jeder Fußballer, davon, in der Ersten Bundesliga antreten zu dürfen – und zwar nicht nur in einem Kurz-Einsatz, sondern mich Woche für Woche mit den besten Spielern messen zu können. Außerdem wäre ein Aufstieg die Belohnung für eine ganze Saison: Wer nach 34 Spielen in der Tabelle oben steht, hat es auch verdient. Den Einzug in das Pokal-Endspiel könnten wir dagegen mit einer guten Leistung in ‚nur‘ noch einer Partie erreichen, auch wenn es natürlich sehr, sehr schwer wird, im Halbfinale bei Borussia Dortmund zu bestehen.“

Aber ein Triumph im DFB-Pokal hätte auch den Einzug in die Europa-League zur Folge – und vom internationalen Geschäft träumen ebenfalls viele Fußballer …
„Das ist natürlich richtig, aber ich könnte mir vorstellen, dass eine Teilnahme am Europapokal für einen Verein wie Holstein Kiel in der aktuellen Phase vielleicht auch noch eine Nummer zu groß wäre. Die Doppelbelastung, die dann auf uns zukommen würde, wäre ja etwas, was unsere Spieler so noch gar nicht kennen. Am schönsten wäre es natürlich, wenn wir den Aufstieg und das DFB-Pokal-Finale erreichen würden.“

Ihr endgültiger Abschied vom HSV, dessen damaliger Trainer Dieter Hecking im Sommer 2019 nicht mit Ihnen plante, war etwas unschön. Würden Sie den „Rothosen“ trotzdem die Rückkehr in die Erste Liga gönnen und sich über einen Doppel-Aufstieg der KSV Holstein mit dem HSV freuen?
„Ich habe nicht nur selbst über sieben Jahre für den HSV gespielt, sondern während dieser Zeit auch viele Freunde im Verein und in der Stadt gewonnen. Zu einigen von ihnen habe ich noch immer guten Kontakt und weiß, wie sehr sich die Menschen in der Stadt Hamburg den Wiederaufstieg wünschen würden. Deshalb würde ich nicht nur meinen Freunden, sondern allen Hamburgern die Rückkehr in die Erste Bundesliga gönnen. Aber noch viel mehr wünsche ich natürlich meiner Mannschaft den Aufstieg, und im Kampf um ein Ticket für die Erste Liga ist der HSV einer unserer härtesten Rivalen. Gleiches gilt für die SpVgg Greuther Fürth und den VfL Bochum.“

Können Sie sich einen Verbleib im Holsteinstadion auch über das Ende Ihres aktuellen Vertrags hinaus vorstellen oder reizt es Sie auch, noch einmal eine komplett neue Erfahrung, beispielsweise im Ausland, zu sammeln?
„Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, auch länger als bis 2023 für Holstein Kiel zu spielen. In diesem Verein stimmt momentan alles für mich und ich möchte gerne meinen Beitrag dazu leisten, dass die besagte positive Entwicklung sich auch in den kommenden Jahren weiter fortsetzt. Allerdings reizt mich tatsächlich auch das Ausland: Wir Profi-Fußballer haben das große Glück, dass wir unseren Beruf nahezu auf der ganzen Welt ausüben können. Das würde ich gerne dazu nutzen, um noch einmal etwas ganz Anderes kennenzulernen, auch für die Zeit nach dem Ende meiner aktiven Karriere. Aber das hat noch Zeit – momentan gehe ich davon aus, dass ein Wechsel ins Ausland für mich erst mit Anfang 30 eine Option ist.“ (kw)


Dieser Artikel erschien zuerst in der Sport Woche Nr. 2 vom 06.04.2021




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